WIRTSCHAFTSSPIEGEL Thüringen – Ausgabe 5/2022

Thüringen 9 Foto: Susann Nürnberger päischen Gaspreisdeckel führen, wie er in einigen Ländern bereits beschlossen worden ist. Aus meiner Sicht kann die Einführung einer solchen Preisbremse allerdings nur auf europäischer Ebene erfolgen. Als Sozialdemokrat wird bei Ihnen die Debatte um die Gaspreisumlage zwiespältige Gefühle ausgelöst haben. Einerseits müssen Sie die einheimische Wirtschaft im Blick haben, andererseits kann Ihnen die Lage der Privathaushalte nicht egal sein, zumal die Löhne im Freistaat immer noch nicht auf dem Niveau sind, auf dem man sie sich wünscht. Haben Sie dafür politische Lösungsvorschläge? Nicht so sehr die Umlage ist das Problem, sondern die Frage, wie sie umgesetzt wird und welche Entlastungen es auf der anderen Seite für einkommensschwächere Haushalte und für mittelständische Unternehmen gibt. Es war sicher nicht intendiert, dass sich profitable Gasversorger oder solche, die bereits im Vorfeld Milliardengewinne eingefahren haben, massiv an der Umlage bedienen sollten. Da gab es im Vorfeld handwerkliche Fehler, hier muss der Bund nachbessern. Bei den Entlastungen reden wir zum Beispiel über Direktzahlungen, Energiepreisdeckel, sicherlich auch steuerliche Erleichterungen. In jedem Fall plädiere ich dafür, in der Wirtschaft nicht den Mittelstand und unter den Privathaushalten nicht die Mittelschicht aus den Augen zu verlieren. Die gehören mit unter den Schutzschirm, denn das sind diejenigen, die die Räder am Laufen halten. Anderes Thema. Die Thüringer Wirtschaft ist traditionell eng mit Russland verbunden. Auch das stellt so manches Unternehmen vor Probleme. Was überwiegt derzeit: Forderungen nach Lockerungen der Sanktionen oder Einsicht in die Notwendigkeit? Und vor allem: Wie gehen die betroffenen Unternehmen damit um? Meine Gespräche führen zu einem differenzierten Blick: Die überwiegende Mehrheit spürt nahezu keine Nachteile. Einige, mit Russland besonders verwobene Unternehmen erleiden deutliche wirtschaftliche Einbrüche. Ich glaube, im Moment gibt es durchaus eine vergleichsweise breite Unterstützung dafür, die Aggression Russlands nicht einfach klag- und sanktionslos hinzunehmen. Aber die eigentliche Bewährungsprobe kommt erst noch, wenn es draußen kalt wird und die Energiezähler schneller laufen. Hier und da bröckelt die Unterstützung bereits schon, wie etwa der Offene Brief von Handwerkern aus Sachsen-Anhalt an den Bundeskanzler zeigt. Klar ist: Es hängt jetzt viel davon ab, wie die Politik die Rahmenbedingungen gestaltet, welche Maßnahmen und Hilfspakete zur Abfederung auf den Weg gebracht werden. Wenn sich die Betriebe hier mitgenommen und unterstützt fühlen, dann wird es aber überwiegend bei der Einsicht in die Notwendigkeit bleiben, davon bin ich überzeugt. Sie sind ein erfahrender Polit-Profi, der auch viel in der Welt herumgekommen ist. Glauben Sie, dass Russland in absehbarer Zeit wieder ein vollwertiges Mitglied der Völkergemeinschaft sein kann? Das ist eine schwierige Frage, deren Beantwortung vom Verhalten vieler Akteure, in erster Linie natürlich Russlands selbst abhängt. Ich bin der Auffassung, dass man grundsätzlich immer gesprächs- und kompromissbereit sein muss. Anders lassen sich festgefahrene Situationen doch gar nicht aufbrechen und irgendwie zum Positiven verändern. Also ja, ich bin optimistisch, dass Russland langfristig fundamentale Veränderungen in Politik und Gesellschaft vornimmt, die seine vollwertige Anerkennung in der Völkergemeinschaft ermöglicht. Zum Schluss noch eine persönliche Frage, Herr Minister. Wenn man es bei Lichte betrachtet, gehören Sie zu den Menschen, nach denen die Thüringer Wirtschaft gerade sucht – wenngleich Sie selbst sicher nicht als Blaupause dienen können. In Thüringen geboren, dann des Jobs wegen aus Thüringen weggegangen, jetzt wieder hier. Warum ist Thüringen für Sie ein Ort, der attraktiv für sogenannte High Professionals aus Deutschland und der Welt ist? Ehrlich gesagt, der Begriff ist mir zu speziell. Thüringen ist ein hochattraktiver Platz für Arbeits- und Fachkräfte aus allen Bereichen. Wer schnell Verantwortung übernehmen möchte, ist in Thüringen richtig, denn bei uns sind die Strukturen überschaubar, die Betriebe mittelständisch, da dauert der Weg in eine Führungsposition nicht Jahrzehnte. Die Firmen suchen händeringend, es lohnt sich, hinzuschauen und sich als Einsteiger jobmäßig nicht immer nur auf die Großkonzerne und geographisch auf ein paar vermeintlich hippe Großstädte zu fixieren. Wer gründen will, findet in Thüringen Unterstützung über alle Phasen eines Gründungsprozesses. Nicht umsonst schneidet der Freistaat in vielen Gründer-Rankings gut ab, zuletzt beispielsweise beim Deutschen Start-up-Monitor mit drei erfolgreichen Jungunternehmen. Und übrigens: Auch High-Professionals gründen Familien – in Thüringen ist das Umfeld dafür hervorragend, Kindergartenplätze sind verfügbar, Schulwege überschaubar. Hier lässt es sich gut leben, und das weiß gerade auch eine nachrückende, jüngere Generation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu schätzen, für die eine ausgewogene Work-Life-Balance deutlich mehr zählt als für meine oder Ihre Generation. Interview: Torsten Laudien Frank Seiferth, Gründer und Geschäftsführer der Seitec GmbH, im Gespräch mit Wolfgang Tiefensee und Professor Wolfgang Maaß, Leiter Forschungsbereich Smart Engineering des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) (v.l.)

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